Zur Schwierigkeit des Aufsuchens von Objekten über Azimut und Höhe

 

 

 

 

Die Frage nach dem Aufsuchen von Gestirnen mittels Azimut und Höhe(nwinkel) kommt immer mal wieder auf; sie ist ja auch sehr legitim und logisch, denn eigentlich müβte das - bei einer alt-azimutalen Montierung - der normale Ansatz sein, um Objekte zu finden.

 

Aber das Aufsuchen auf diese Art und Weise ist in Wirklichkeit sehr schwierig, auch wenn es zunächst nicht so den Anschein hat; ... was das Zögern der "alten Hasen" erklärt, auf die Frage zu antworten. Es ist zwar möglich, Deepsky-Objekte mit Azimut und Höhe zu finden, aber weil sich beide Koordinaten des Objekts durch die Drehung der Erde ständig verändern (bei der eingenordeten parallaktischen Monitierung bewegt man dagegen nur eine Achse um einem Objekt zu folgen), benötigt man zunächst mal ganz genaue Positionsdaten des Objekts. Um die zu erhalten, braucht man die genaue Länge und Breite des Beobachtungsortes und auch die Sternzeit (nicht die Sonnenzeit mit der wir tagtäglich arbeiten) oder den Stundenwinkel. Es gibt keine Kataloge für Azimut und Höhe (wie für Rektaszension und Deklination), weil die Koordinaten lokal auf den Beobachtungsort bezogen und nicht, wie Rektaszension und Deklination, am Himmel "angeheftet" und damit für jeden Beobachter auf der Erde dieselben sind (siehe Fixsterne). Das Verfahren ist zwar ähnlich wie bei der Bestimmung des Stundenwinkels (dazu vorherige Seite), aber die  Berechnung der Sternposition selber (Umrechnung aus Rektaszension und Deklination für einen bestimmten Beobachtungsort; man will ja nicht selber messen; siehe Sextant) ist viel, viel komplizierter. Man muβ dabei auch mit 5 Stellen nach dem Komma rechnen, sonst wird das Ergebnis nicht genau und die ganze Rechnung ist ziemlich fehleranfällig (es reicht nicht die Rektaszension von der Sternzeit abzuziehen, wie für eine parallaktische Montierung und man arbeitet ja nicht tagtäglich mit den Winkelfunktionen Sinus, Kosinus, Arkussinus und Arkuskosinus) !

 Sextant wikipedia, creative commons, Joachim Alves Gaspar

 

Alle Hochachtung also vor den alten Seefahrern, die ja - um ihre Position zu bestimmen - genau umgekehrt verfahren sind ! Softwares, wie Guide 9.1 und Stellarium nehmen einem zwar die Arbeit ab, ... aber das gilt nicht für Handy-Apps ! Man vergleiche mal die Ergebnisse verschiedener solcher Apps für eine bestimmte Uhrzeit und einen bestimmten Beobachtungsort. Sie zeigen enorme Unterschiede mit mehreren Grad Abweichung untereinander und sind also nicht so sehr der Bringer zum Aufsuchen *, (wenn man bedenkt, daβ der Vollmond 0.5° Durchmesser hat).

 

               * Ich habe dann aber doch noch eine vertrauenswürdige App gefunden: SkEye

 

Linksstehende Grafik von wikipedia commons, Autor Bautsch zeigt aber, wie die Berechnung gehen kann: die Winkel τ (blaugrüner Pfeil) und δ (rot) sind Rektaszension und Deklination; die Winkel "a" (schwarz)  und "h" (grün) stellen Azimut und Höhe dar. Über die eingezeichneten Dreiecke (deshalb Sinus und Kosinus) kommt man zum gemeinsamen violetten Punkt, dem Beobachtungsobjekt ! Siehe auch die schönen Seiten von Walter Fendt und von Jürgen Giessen.

 

 

Im Besitz der genauen Koordinaten für ein Himmelsobjekt zu einer bestimmten Zeit und für einen bestimmten Beobachtungsort zu sein (d.h. die Rechnung allein) ist aber noch nicht alles. Das zweite groβe Problem ist die "Genauigkeit" des Einstellens der (alt-azimutalen) Montierung. Wie stellt man seinen Dobson genau genug ein, damit man das gesuchte Objekt auch im Okular hat ? Die alt-azimutale Montierung hat ja normalerweise keine Teilkreise. Ist ein auf die Plattform gelegter Kompaβ genau genug für den Azimut ? Ist ein an die Montierung gehaltener Höhen-Winkelmesser genau genug für die Höhe ? Die Fragen sind wohl beide zu verneinen. Man findet das Objekt auf diese Weise einfach nicht!

 

 

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Ich habe trotzdem mal versucht, die Rechnungen nachzuvollziehen. Siehe die untenstehende Excel-Tabelle, die man hier (von meiner Dropbox) herunterladen kann (auf den "Pfeil nach unten" im Menu klicken und die "Pop-ups" ignorieren; man braucht sich nicht zu registrieren).

 

Und dann habe ich In einem zweiten Schritt - am Ende des Textes unter der Tabelle - auch noch Hinweise angefügt (mit Links zum Herunterladen von Teilkreisen), wie man das zweite Problem, das der Einstellungsgenauigkeit am Teleskop, eventuell lösen könnte !

 

 

In der Tabelle sind zwei mal zwei Formeln, jeweils für Höhe und Azimut (es sind eigentlich dieselben, aber die eine funktionniert mit dem Stundenwinkel, die andere mit der Lokalen Mittleren Sternzeit (LST), aus der der Stundenwinkel mithilfe der Rektaszension abgeleitet wird; siehe zu den beiden Begriffen meine vorstehende Unterseite "Himmelsmechanik"). Man gibt ein paar Daten in die Tabelle ein (farbige Felder) und Höhe und Azimut werden automatisch berechnet (rote Zahlen).

 

Die erste der Doppelformeln stammt von Keith Burnett (der Link ist auch in der Tabelle angegeben). Die zweite Doppelformel (= andere Formeln) ist einem pdf von Jere Albright (im Beitrag Nr. 10 auf CloudyNights) entnommen *. Der Link findet sich ebenfalls in der Excel Tabelle. Auβerdem sind noch weitere Links in die Tabelle intergriert, die helfen das Ganze besser zu verstehen und die Formeln anzuwenden (z.B. Lokale Sternzeitrechner). Dort auch ein Link zu einem Artikel auf der deutschen wikipedia, der wirklich lesenswert ist (sehr guter Artikel).

 

* Beide Formeln stammen wohl ursprünglich aus dem berühmten astronomischen Tabellenwerk von Jean Meeus; siehe - ganz neu - auch noch diese schöne Seite von H.C. Greier & Co
   

Ich denke, wenn man mit beiden Formeln zu (nahezu) demselben Ergebnis kommt (Zahlen in rot), müβte das für die Genauigkeit beim Aufsuchen reichen. (Aber daran denken, daβ die Koordinaten nur für einen bestimmten Zeitpunkt sind, man muβ diese dann auch schnell an der Montierung einstellen; die Erde dreht sich ja weiter und die Koordinaten verändern sich ständig in beiden Achsen).
                    
Alle Felder, auβer die mit farbigem Hintergrund, sind blockiert, damit die Formeln nicht unabsichtlich zerstört werden können. (Das kann man in Excel aber wieder aufheben). Für die grünen Felder reicht die einmalige Eingabe, die gelben und rosa / blaugrauen muβ man für jedes Beobachtungsobjekt, bzw. jede Beobachtungszeit neu eingeben.

 

 

[Achtung, wenn Ihr mit der Tabelle spielt: der Taschenrechner rechnet in Grad, Excel aber in Radianten (Umrechnen mit 180/π, bzw. π/180) !]

 

 

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So, jetzt hat man also die Koordinaten für sein Objekt (am einfachsten wohl dem eben zitierten und heruntergeladenen pdf von Jere Albright zu entnehmen; aber auch dort muβ man Sternzeit und geographische Breite eingeben). Aber nun braucht man auch noch alt-zimutale Teilkreise (an seinem Dobson) ! Da bleibt nichts anderes übrig, als zu Basteln (wenn man nicht teures Geld für digitale Teilkreise ausgeben will, ... die auβerdem schon wieder "Schnee von gestern" zu sein scheinen). Wie gesagt, verlaβt Euch nicht auf Handy-Apps, ... auβer auf SkEye ! Fertige, druckbare Teilkreise gibt es hier (auf DIN A 3 vergröβern, bzw. an die Gröβe seiner Plattform anpassen, ausdrucken und - wenn möglich - laminieren (lassen)): Teilkreis (pdf in Beitrag Nr. 31; im 57-Seiten-Thread sind aber noch mehr Teilkreise zum Herunterladen).

Siehe zum Ganzen noch die Seite von Herrn Casazza: hier und hier (die Links unten auf der Seite). Die Software selber von Herrn Casazza = AstroHelper funktionniert leider nicht mehr richtig (ich habe sie ausprobiert, die ausgespuckten Koordinaten liegen komplett daneben). Weitere praktische Hinweise auch noch im schon erwähnten 57-Seiten-Beitrag bei CloudyNights.

Genauigkeit (bei der Rechnung, beim Aufkleben / Befestigen der Teilkreise, beim Aufstellen des Teleskops) ist also alles ! Siehe das Bild hier: Genauigkeit (also auch die Montierung exakt waagrecht (mit der Wasserwaage !) ausrichten; --> kleine Ursache, groβe Wirkung am Himmel). Und dann zum Aufsuchen das Okular mit dem weitesten Feld nehmen. Fehler / Abweichungen können durchaus in der Gröβenordnung von ein paar Grad liegen (Vollmond = 0.5 Grad).          

                     
Viel Spaβ

 

 [... und wenn Euch das alles zu kompliziert erscheint, versucht die "Sternhüpf"-Methode ("star hopping"), die ich schon vor 50 Jahren adoptiert und auf meiner anderen Internet-Seite "Mit den Sternen tanzen" erklärt habe (man lernt dabei gleichzeitig die Sternbilder kennen)].