Siehe auch: Mit den Sternen tanzen

 

 

 

 

Welche Okulare für mein Fernrohr / mein Teleskop ?

 

 

 

 

Die Einheit Teleskop - Okular - Auge

 

 

 

 

Man kann lange über Okulare diskutieren; als Verstärker der Fähigkeiten des menschlichen Auges werden sie natürlich sehr subjektiv bewertet. Ich habe mit nicht-achromatischen, zweilinsigen "Huygens"-Okularen begonnen, in 24.5 mm = 0,96 Zoll an einem Newton 76/700. Da der Spiegel keine Farbabweichungen produziert, waren die Abbilder des Saturns, an die ich mich erinnere (damals stand er hoch am Himmel) klar und kontrastreich.

 

Jahre später wollte ich dann die Leistung meines Teleskops (ein Celestron 8) deutlich erhöhen und ich habe neue Okulare gekauft, sodaβ ich heute für jede nützliche Brennweite über ein klassisches und ein modern(er)es Okular verfüge. ... Aber ehrlich gesagt, ich bin nicht überzeugt, "besser" oder "mehr" mit den modernen Okularen zu sehen, als mit den klassischen. Ich sage nicht, daβ man seinen Beobachtungskomfort mit den modernen, teuren Groβfeld-Okularen nicht klar verbessern kann. Aber was "das Sehen" anbetrifft, sollte man sich immer bewuβt sein, daβ das Okular in die Einheit: Objektiv/Spiegel - Okular - menschliches Auge eingeordnet werden muβ und bei dieser "ganzheitlichen Betrachtung" die Unterschiede zwischen modernen und klassischen Okularen sehr gering sind.

 

 

Links der Strahlengang von zwei Okularen, die mehr als alle anderen die klassischen und die modernen Okulare repräsentieren: das orthoskopische (oder "ortho") von Ernst Abbe (Zeiss) und das "Nagler" von Al Nagler (mit der Barlowlinse vor der Feldblende).

 Quelle: wikipedia commons

 

 

 

 

Die Wahl des Okulars hängt von der Öffnungszahl F/D ab

 

 

 

 

Bevor die - parallelen, da aus dem Unendlichen kommenden - Lichtstrahlen das Auge erreichen, durchqueren sie zunächst das Objektiv bzw. werden vom Spiegel reflektiert (rosa auf untenstehendem Bild). Neben der optischen Qualität, spielt jedoch noch eine andere Eigenschaft des Objektivs/Spiegels eine entscheidende Rolle bei der Auswahl des Okulars: Das Objektif "knickt" (bricht) die Lichtstrahlen mehr oder weniger stark. Untenstehend zwei (frei gewählte) "Arten und Weisen", wie ein Objektiv die Lichtstrahlen "knicken" kann.

 

Die Beziehung zwischen der Brennweite (F, von lat. "focus") eines Objektivs/Spiegels und dessen Durchmesser (D) wird Öffnungszahl * = F/D genannt. Die Fotographen kennen dieselbe Beziehung als die der Blende.

 

* Ich benutze im Folgenden (wie in Frankreich auch unter Astronomen üblich und nicht nur unter Fotographen), die Öffnungszahl F/D und nicht das (in Deutschland unter Astronomen übliche) umgekehrte Öffnungsverhältnis D/F, weil - zumal in einer Anleitung für Einsteiger - der Begriff "groβes" oder "kleines" Öffnungsverhältnis durch den Bruch und die Umkehr der Gröβenordnung "unter dem Strich" intuitiv sehr schwer verständlich ist (1/5 oder 1:5 ist gröβer als 1/10 oder 1:10, aber 5 oder 5:1 ist kleiner als 10 oder 10:1).

 

 

Aus Transportgründen, damit man zur Beobachtung nicht auf eine Leiter steigen muβ (groβe Dobsons) und - vorallem - weil die Fotographen es verlangen, konstruiert man heute Teleskope mit immer kürzeren Brennweiten.

 

Aber Okulare haben enorme Probleme damit.

 

Ein Okular ist nicht anderes als eine Lupe, die das kleine, umgekehrte Bild, das im Fokus/Brennpunkt (an der Feldblende des Okulars) produziert wird, wieder vergröβert. Selbst wenn das Ab-Bild an dieser Stelle sehr klein ist, so sind die Aberrationen (die jeder Optik inherent sind), trotzdem vorhanden und werden noch deutlich verstärkt durch die eigenen optischen Fehler der "Lupe", besonders am Bildfeldrand.

 

Ein groβes Gesichtsfeld (siehe die weiβen Strahlen im Bild:  "Projektion des Gesichtsfelds an den Himmel") d.h. eine kleine Öffnungszahl F/D (auch als "kurzes" oder "schnelles" Öffnungverhältnis bezeichnet), hat zur Konsequenz, daβ die Lichtstrahlen der Himmelsobjekte in einem groβen Winkel (siehe Bild) auf das Okular treffen, welcher dieses zwingt, den "Mund sehr weit aufzusperren", um die Lichtstrahlen "zu verschlingen". Die optischen Fehler multiplizieren sich dadurch wirklich exponentiell im Vergleich zu einer Situation mit kleinem Winkel, wo der "Mund weniger weit aufgesperrt" ist (groβe Öffnungszahl F/D; auch "langes" oder "langsames" Öffnungsverhältnis).

 

 

 

 

Wahres gegen scheinbares Gesichtsfeld

 

 

 

 

Die einfachste Lösung, das Problem (der optischen Fehler am Bildfeldrand) zu lösen, ist keine ultra-kurze Brennweite für sein Teleskop zu wählen; also ein F/D von 6 für den Newton und kein F/D von 4; ein F/D von 5 ist schon grenzwertig, aber geht noch. Die Schmidt-Cassegrains (F/D von 10) und Maksutovs (F/D von 15) haben das Problem der aus den langen Brennweiten resultierenden "Sperrigkeit" dadurch gelöst, daβ sie die Lichtstrahlen im Tubus hin- und herspiegeln (Siehe die Bilder auf der Seite "Teleskop-Wahl").

 

Sonst muβ man an den Okularen selbst arbeiten: die klassischen Okulare haben das scheinbare Gesichtsfeld (man betrachtet ausschlieβlich das Okular, d.h. den Winkel vom Auge zur Feldblende oder zum inneren Rand des Endes der Okularhülse und nicht die Einheit Okular - Teleskop) durch eine (Feld-)Blende begrenzt und dadurch praktisch aberrationsfreie Okulare geschaffen; siehe - vorallem - die orthoskopischen Okulare (42° scheinbares Gesichtsfeld), aber auch die Original-Plössls (52°).

 

Die Miltärs wollten dann jedoch noch mehr: nicht nur die Ferngläser insgesamt sollten eine kurze Brennweite und groβe Gesichtsfelder haben (wahres Gesichtsfeld am Himmel; siehe Flak-Gläser), sondern auch die Okulare selbst (also die Vergröβerungs-Lupen alleine).

 

Wozu soll das gut sein ? Es ist ein physikalisches Gesetz, daβ, wenn man höher vergröβert, das Gesichtsfeld automatisch kleiner wird. Mit den klassischen Okularen (mit dem durch eine kleine Blende begrenztem Eigengesichtsfeld) kann man daher nicht gleichzeitig hoch vergröβern und ein groβes Gesichtsfeld haben. Man muβ die Vergröβerung verringern, um ein gröβeres Gesichtsfeld zu erreichen.

 

 

Diese Zeichnung stammt aus dem wunderbaren Internet-Buch von Vladimir Sacek: "Amateur Telescope Optics". Ich habe seine Genehmigung per Mail erhalten, es zu verwenden und habe es lediglich - aus Gründen der Anpassung an den Stil dieser Seite - in sein Negativ gekehrt. Das scheinbare Gesichstfeld entspricht 2 Mal dem Winkel ε. Das wahre Gesichtsfeld, begrenzt durch die Feldblende ("field stop") des Okulars, ist hier (man kann das auch anders darstellen) durch 2x den Winkel α zwischen der Tubusachse und der Linie vom Zentrum des Objektivs zum Rand der Feldblende dargestellt. Zu mehr Details, bitte auf den Link mit dem Namen des Autors klicken, der andere (erste) Link führt zum Vorwort (und Inhaltsverzeichnis) des Buches.


 

Um dem Wunsch des Miltärs entgegenzukommen, hat Heinrich Erfle im Jahr 1917 das "Erfle"-Okular erfunden (es gab andere "widefields" zuvor, die aber weniger Erfolg hatten), ... aber die Probleme am Rande der Okulare kamen natürlich wieder. Heute fügt man eine neue Linse hinzu, und noch eine, ... und noch eine, usw., um die Aberrationen der Weitfeldokulare zu korrigieren. Denn optische Aberrationen gibt es wirklich wie Sand am Meer (nach "Seidel", "Zernike" googlen). ... ... Takahashi verkaufte bis vor kurzem 12-linsige Okulare (die UWs), die Ethos von Televue haben deren 10.

 

Nichts gegen den technischen Fortschritt und Groβfeld-Okulare mit optimaler Korrektur am Gesichtsfeldrand, ... aber zu welchem Preis ! Und ich spreche nicht nur vom Preis in Geld. Die Lichtstrahlen verlieren, wenn sie im Okular ankommen, an jedem Glas/Luft- und Luft/Glas-Übergang einen Teil ihrer Intensität (Reflexionen). Die Hersteller sagen, sie hätten das Problem durch das Aufbringen von multiplen Anti-Reflex-Schichten ("Coating") auf den Linsen beseitigt. ... Ich will das gerne glauben. Aber selbst wenn man nur noch 0,2-0,4% (auf dem Restbetrag !) an jedem Glas/Luft-Übergang und umgekehrt verliert (anstatt vorher 2%), kann man trotzdem die Naturgesetze nicht verleugnen. Macht mal die Rechnung auf, für ein Okular mit 10 Linsen (und 20 Luft/Glas-, bzw. Glas/Luft-Übergängen). ... Die Orthos (Abbe) dagegen haben nur 4 Linsen, wovon 3 verkittet sind (1. Bild oben), was die Anzahl der Luft/Glas-Passagen auf 4 verringert. Und sie zeigen dasselbe in einem kleineren, aber deutlich transparenteren Feld.

 

 

 

 

Ihr entscheidet ! (gegebenfalls mit Hilfe der Formeln auf den nächsten Seiten)

 

 

 

 

Im Internet findet man, daβ wir - mit einem Auge und entspannt - Details und Farben optimal nur in einem Feld von ca. 60° sehen können. Nicht mehr, danach muβ man "die Augen rollen" oder den Kopf drehen, um "weiter auβen Liegendes" wirklich sehen (und nicht nur erahnen) zu können. Es gibt Okulare (immer scheinbares Gesichtsfeld) mit:

  • 42° ("orthoskopisch") und 4 (zum Teil verkitteten) Linsen,
  • 52° ("Plössls") und 4 ou 5 Linsen,
  • 60°, 68° oder 70° und 5 (so z.B. die ursprünglichen "Erfles") oder 6 Linsen,
  • 82° oder 84° mit 8 Linsen,

      und jetzt auch noch Okulare mit

  • 100° (und sogar 120°) und 10 Linsen (oder mehr).

Achtet auf den Preis und denkt daran, daβ man bei groβflächigen Objekten (wie z.B. der Andromeda-Galaxie oder dem Zirrusnebel) immer die Vergröβerung zurücknehmen und dadurch das Feld erweitern kann.  Für Planeten braucht man kein ultra-groβes Gesichtsfeld, selbst wenn man die Monde gleichzeitig mitbeobachten möchte. Und für Details (Mond, Planeten) sind "Weniglinser" mit (wenn sie orthoskopisch sein sollen) notwendigerweise kleineren Gesichtsfeldern sowieso besser. Aber denkt auch daran, daβ die - günstigen - klassischen "Widefields", wie die Erfles mit 5 oder 6 Linsen am Bildfeldrand nicht "orthoskopisch" sind. Dennoch sind auch die (langbrennweitigen) Erfles, jedenfalls für Anfänger sehr brauchbar (ich habe aber auch nach 50 Jahren Astronomie kein Problem damit): bei einem sogenannten "Übersichtsokular", welches ein groβes Feld zeigt, aber die Objekte klein und ohne Details (= das einzige Okular, bei dem man eventuell über ein 2 Zoll-Okular nachdenken sollte), ist ein absolut flaches Gesichtsfeld bis zum Rand ohne Verzerrungen an der Rändern auch nicht wirklich notwendig.

 

 

 

Im Endeffekt jagt man bei der Okularfrage einer Chimäre nach. ... ... Solange man ein einziges Okular hat, ist doch alles ok !

 

 

 

Auf der nächsten Frage stellen wir uns die Frage nach den auszuwählenden Okular-Brennweiten.